Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben

Andacht zum 9. Sonntag nach Trinitatis
Ein Schachbrett mit Bauern. In der Mitte steht ein Bauer mit Königskrone.

Der Autor

Lothar Veit ist Redakteur der Evangelischen Medienarbeit (EMA) der Landeskirche Hannovers.

Erster Tag im neuen Job. Wer wäre da nicht nervös? Ich erinnere mich an so einen Tag, bei dem gefühlt alles schief ging. Ich sollte gleich Telefondienst übernehmen und meinen Chef vor lästigen Anrufen abschirmen. Das Anliegen der ersten Anruferin klang dringlich, deshalb stellte ich sie lieber doch durch. Fehleinschätzung, der Rüffel folgte auf dem Fuß. Den zweiten Anrufer wimmelte ich dann formvollendet ab. Mist, auch nicht richtig. Der stand ein paar Hierarchiestufen über meinem Chef, da zählen keine Inhalte mehr. War ich der Aufgabe gewachsen?

So ähnlich mag sich der junge Salomo gefühlt haben, als Gott ihn zum König machen wollte. Ich gebe zu, König ist noch eine Schippe mehr Verantwortung als mein Job damals. Salomo hatte eine unruhige Nacht. Im Traum war er im Bewerbungsgespräch bei Gott schonungslos ehrlich: „Ich weiß weder aus noch ein.“ Ausgerechnet er sollte ein Volk regieren, das so groß ist, „dass es wegen seiner Menge niemand zählen noch berechnen kann“?

Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben, heißt es im Volksmund. Ich habe das selbst so erlebt. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gewinnt – das kann einen durch Situationen tragen, in denen man vor neuen, scheinbar unlösbaren Aufgaben steht. Doch es bedeutet nicht, dass man den Respekt vor Herausforderungen verliert.

Auch Salomo geht die Sache demütig an. Er bittet Gott um ein Verständnis dafür, was gut und böse ist. Nicht mehr und nicht weniger. Und Gott zeigt sich beeindruckt: Offenbar gab es schon in grauer Vorzeit genügend Könige, die dem Klischee des machthungrigen, auf den eigenen Vorteil bedachten Herrschers entsprachen. Gott antwortet: „Weil du darum bittest und bittest weder um langes Leben noch um Reichtum noch um deiner Feinde Tod, sondern um Verstand, auf das Recht zu hören, siehe, so tue ich nach deinen Worten.“ Gott schenkt Salomo ein weises Herz – und Reichtum und Ehre obendrauf.

Zu schön, um wahr zu sein? Es war ja tatsächlich laut Bibel nur ein Traum. Auf jeden Fall bis heute eine prägende Geschichte, denn Salomo machte seine Sache gut. So gut, dass wir noch heute das „salomonische Urteil“ kennen – eine besonders weise und durchdachte Entscheidung, die Gräben zuschüttet, statt neue aufzureißen. Der Mensch wächst mit seinen Aufgaben.

Amen.

Der Autor

Lothar Veit ist Redakteur der Evangelischen Medienarbeit (EMA) der Landeskirche Hannovers.

Predigttext,
1. Könige 3,5–15
Und der Herr erschien Salomo zu Gibeon im Traum des Nachts, und Gott sprach: Bitte, was ich dir geben soll! Salomo sprach: Du hast an meinem Vater David, deinem Knecht, große Barmherzigkeit getan, wie er denn vor dir gewandelt ist in Wahrheit und Gerechtigkeit und mit aufrichtigem Herzen vor dir, und hast ihm auch die große Barmherzigkeit erwiesen und ihm einen Sohn gegeben, der auf seinem Thron sitzen sollte, wie es denn jetzt ist. Nun, Herr, mein Gott, du hast deinen Knecht zum König gemacht an meines Vaters David statt. Ich aber bin noch jung, weiß weder aus noch ein. 8Und dein Knecht steht mitten in deinem Volk, das du erwählt hast, einem Volk, so groß, dass es wegen seiner Menge niemand zählen noch berechnen kann. So wollest du deinem Knecht ein gehorsames Herz geben, dass er dein Volk richten könne und verstehen, was gut und böse ist. Denn wer vermag dies dein mächtiges Volk zu richten?

Das gefiel dem Herrn, dass Salomo darum bat. Und Gott sprach zu ihm: Weil du darum bittest und bittest weder um langes Leben noch um Reichtum noch um deiner Feinde Tod, sondern um Verstand, auf das Recht zu hören, siehe, so tue ich nach deinen Worten. Siehe, ich gebe dir ein weises und verständiges Herz, sodass deinesgleichen vor dir nicht gewesen ist und nach dir nicht aufkommen wird. Und dazu gebe ich dir, worum du nicht gebeten hast, nämlich Reichtum und Ehre, sodass deinesgleichen keiner unter den Königen ist zu deinen Zeiten. Und wenn du in meinen Wegen wandeln wirst, dass du hältst meine Satzungen und Gebote, wie dein Vater David gewandelt ist, so will ich dir ein langes Leben geben.

Und als Salomo erwachte, siehe, da war es ein Traum. Und er kam nach Jerusalem und trat vor die Lade des Bundes des Herrn und opferte Brandopfer und Dankopfer und machte ein großes Festmahl für alle seine Großen.
Lothar Veit