Der Türschwellen-Effekt

Andacht zum 2. Advent
Eine offene weiße Tür.

Die Autorin

Eine jüngere Frau lächelt in die Kamera.
Bild: privat
Dorothee Beckermann

Dorothee Beckermann ist Diakonin in der Region Linden-Limmer.

Kennen Sie den Türschwellen-Effekt? Forschende in den USA haben in Experimenten herausgefunden, dass unsere Merkleistung beim Überschreiten von Türschwellen abnimmt. Sobald wir einen Raum verlassen, vergessen wir leichter, was wir gerade holen oder erledigen wollten. Unser Gehirn verbindet nachweisbar bestimmte Gedankenpakete mit einem Ort. Durch das Überschreiten der Grenze beginnt das Gehirn einen neuen Arbeitsprozess, ältere Informationen sind weniger leicht verfügbar.

Ob es wohl einen Türschwellen-Effekt in der Adventszeit gibt? Im Advent wimmelt es ja nur so von Türen: am Adventkalender, in den alten Liedern, bei der Herbergssuche im Krippenspiel. Türen, die sich öffnen. Türen, die verschlossen bleiben. Türen, die wir hoch machen sollen. Türen, durch die warmes Licht scheint. Türen, durch die geheimnisvolle Geräusche dringen. Türen, hinter denen wir Wunderbares vermuten.

Stellen Sie sich vor, sie übertreten eine Türschwelle und plötzlich ist alles weg. Der Gedanke an die Geschenke und das Familienessen. Die Sorge um das Ergebnis der letzten Vorsorgeuntersuchung. Die Angst, nicht mitthalten zu können. Das ganze Gedankenpaket steht gut verschnürt in der Ecke. Nur noch die Frage: Was wollte ich eigentlich?

Vielleicht ist das genau die richtige Frage: Was will ich eigentlich im Advent? Will ich To-Do-Listen abarbeiten und ein perfektes Fest gestalten? Will ich es gemütlich haben und für einen Moment einfach nur die Welt vergessen? Will ich Erwartungen erfüllen – meine eigenen und die der anderen? Was will ich eigentlich?

Die Frage hallt noch in mir nach, da steht Gott vor mir und sagt: Herzlich willkommen. Ich habe diese Tür für dich aufgemacht. Ich weiß, du hast immer viel zu tun. Und du gibst dir so viel Mühe.

Da weiß ich plötzlich wieder, was ich eigentlich wollte. Ein Licht, das das Dunkel erträglicher macht. Eine Freude, die zart und winzig ist, aber stärker als die Angst. Eine Melodie, die mich weiterträgt als mein Realismus. Eine Hoffnung, dass auch meine winzige Kraft nicht vergebens ist. Ein Vertrauen, dass es gut werden kann.

Und Gott sagt: Alles das habe ich für dich vorbereitet. Komm und setz dich: Heute ist Tag der offenen Tür im Himmel.

Die Autorin

Eine jüngere Frau lächelt in die Kamera.
Bild: privat
Dorothee Beckermann

Dorothee Beckermann ist Diakonin in der Region Linden-Limmer.

Predigttext,
Offenbarung 3,7–13
7 Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, und der zuschließt, und niemand tut auf: 8 Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, die niemand zuschließen kann; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet. 9 Siehe, ich werde einige schicken aus der Versammlung des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind’s nicht, sondern lügen. Siehe, ich will sie dazu bringen, dass sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, dass ich dich geliebt habe. 10 Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen. 11 Ich komme bald; halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme! 12 Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das vom Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen. 13 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!
Dorothee Beckermann