In den Tod versunken?

Andacht zum Sonntag Laetare
Eine Blume durchbricht den Asphalt

Die Autorin

Eine junge Frau mit zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren in einem Wald.
Bild: privat
Julia Littmann

Julia Littmann hat Evangelische Theologie studiert und ist Mitarbeiterin der Evangelischen Medienarbeit (EMA).

Der heutige Sonntag trägt den Namen „Laetare“, das ist wie so oft in der Kirche lateinisch und heißt: „Freut euch!“. Die Aufforderung ist irritierend, fast anstößig mitten in der Passions- und Fastenzeit, die an das Leid und Sterben von Jesus erinnert und mitten in einer Welt, in der eine Schreckensnachricht die andere jagt.

Ein Vierfachmord im Kreis Rotenburg,
ein Krieg in der Ukraine,
ein anderer in Gaza…

Die Welt ist voller Grauen, voller Passionsgeschichten. Man mag schon kaum mehr hinhören, geschweige denn hinsehen. So geht es jedenfalls mir. Und angesichts dessen fehlt mir auch manchmal der Mut und die Hoffnung, dass alles doch noch gut werden kann. Erdrückend liegen die Nachrichten auf einem. Ein grauer Asphalt.

Auch die alten Passionslieder schonen uns nicht, wenn sie uns mitnehmen unter das Kreuz:
Das Kreuz ist aufgerichtet…
Holz auf Jesu Schulter…
Ich grüße dich am Kreuzesstamm…

Diese Lieder sind ein lauter Appell hinzusehen, das Leid nicht zu ignorieren. Sie lassen einen einsteigen in die Geschichten der Evangelien.

So auch das Wochenlied zum Sonntag Lätare, EG 98 Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt. Für mich ist es nicht nur ein zeitloses, gegenwärtiges Passionslied. Es lebt von starken Bildern, die nicht ausschmücken, sondern andeuten.

Aber es ist nicht nur ein Passionslied, sondern auch ein Hoffnungslied. Denn da ist eine andere Kraft, eine Schöpfungskraft am Werk, die oft im Kleinen beginnt.

Der Frühling zeigt es uns, wenn der Löwenzahn durch den Asphalt bricht, bunte Farben die Welt erobern.
Liebe lebt auf, die längst erstorben schien.

Aber dann sind da wieder die anderen Bilder aus den Nachrichten. So viel Leid, so viel Elend. Schreckensbilder, die mich glauben machen, dass alles abgestorben ist. Liebe lebt nicht auf, die längst erstorben ist.

Mit dem Wochenlied singen wir gegen die Hoffnungslosigkeit:

Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt –
Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn –
hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Aus abgestorbenen Lebensbereichen kann wieder etwas sprießen.
Das heißt nicht, dass wieder alles wird wie früher.
Aber das heißt, dass aus Leid und Schmerz, Verlust und Angst Neues werden kann. Etwas, was man nicht von Anfang an sieht, was wachsen muss, aber auf das man hoffen kann. Wie eine Blume durch den Asphalt bricht. Eine Erinnerung, eine Hoffnung, ein Appell mitten in Zeiten des Leides: „Freut euch!“

Weil Hoffnung keimt, kann das Leid uns nicht völlig ohnmächtig machen.

Menschen müssen nicht sterben an Enttäuschungen,
an Verlusten, an Versäumnissen.
Davon hält dieses Lied einen Keim der Hoffnung wach.

Amen und Gott befohlen!

Die Autorin

Eine junge Frau mit zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren in einem Wald.
Bild: privat
Julia Littmann

Julia Littmann hat Evangelische Theologie studiert und ist Mitarbeiterin der Evangelischen Medienarbeit (EMA).

Biblischer Text,
Johannesevangelium 12,24
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.
Julia Littmann