Macht Euch gegenseitig groß!

Andacht zum Gründonnerstag
Ein paar Füße in flachem, klaren Wasser
Jakob Kampermann
Bild: privat
Jakob Kampermann

Jakob Kampermann ist Pastor und Mitglied der Evangelischen Medienarbeit (EMA) der Landeskirche Hannovers.

Wenn es Zeit ist, Abschied zu nehmen, dann tritt alles Nebensächliche zurück. Dann ist Wichtigeres dran. Und wenn der Abschied ganz nahe ist, dann ist nur noch Zeit für das Wichtigste. 

Jesus setzt sich mit seinen Jüngern zum Abschied an den Tisch und feiert das Abendmahl. „Mein Leib, mein Blut … für Euch gegeben. – Als Zeichen meiner Liebe, als Zeichen der Versöhnung und des Friedens mit Gott. Auch als Zeichen der Gemeinschaft. Gemeinschaft mit mir zu haben führt in die Gemeinschaft von Euch miteinander. Lasst Euch versöhnen mit Gott, aber lebt auch als versöhnte Menschen miteinander!

Und während des Essens steht Jesus auf. Er lässt das Essen Essen sein. Er bindet sich eine Schürze um und fängt an, den Jüngern die Füße zu waschen. Füße zu waschen ist zu jener Zeit etwas ganz Normales. Es war üblich, dass Sklavinnen oder Sklaven beim Betreten des Hauses ihrer Herrschaft den Staub von den Füßen gewaschen haben. Es gab keine festen Schuhe, die Straßen waren staubig und schmutzig. 

Jesus tut den Sklavendienst. Er legt selbst Hand an. Die Jünger haben gesehen, wie diese Hände Menschen geheilt und gesegnet haben. Und jetzt geben sie sich ab mit schmutzigen Füßen. Petrus ist das peinlich, weil das alle seine Vorstellungen von Gott durcheinanderbringt: Es war den Jüngern doch Stück für Stück klar geworden auf dem Weg mit ihm: Dieser Jesus, das musste der Messias, der Gottessohn sein. Aber der Gottessohn darf sich nicht bücken wie ein Sklave. Er kommt doch von Gott. Er steht für das, was Gott ist. 

Jesus wäscht die Füße seiner Jünger. Er vertauscht bewusst die Rollen. Der Meister zieht die Schürze an, nimmt Krug und Becken in die Hand und beginnt, den Schülern nacheinander die Füße zu waschen.
Andersherum war es bisher üblich, selbstverständlich andersherum. Wenn überhaupt, dann der Schüler dem Meister. Und jetzt Jesus ihnen? Das geht doch nicht, denkt Petrus. Das geht nicht in seinen religiösen Schädel. Darum ist das Petrus so peinlich.

Und Petrus müsste sie auch noch im Ohr haben, die Stimme von Jesus: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele“ Mk 10,45. Er wird am Karfreitag erleben, wie Jesus diesen Weg des Dienens konsequent zu Ende geht.

Wenn es Zeit ist, Abschied zu nehmen, dann tritt alles Nebensächliche zurück. Dann ist dran, was wichtig ist. Jesus ist diese Geste wichtig: Er wäscht den Jüngern die Füße. 

„Ein Beispiel habe ich Euch gegeben, damit ihr tut, wie ich Euch getan habe.“ 

„Begegnet den Menschen nicht als Herren und Damen, die sich bedienen lassen. Begegnet einander als Menschen, die einander dienen, die einander helfen zu leben.“

„Ein Beispiel habe ich Euch gegeben, damit Ihr tut, wie ich Euch getan habe."

Eine Nuance ist mir dabei wichtig: Jesus demonstriert uns nicht: Macht Euch klein vor anderen. Jesus demonstriert uns: Macht euch gegenseitig groß! Das hat ganz viel mit Respekt zu tun. Macht Euch gegenseitig groß! Das hat ganz viel mit Gottes Reich zu tun, dem Himmel auf Erden.
Heut schleußt er wieder auf die Tür zum schönen Paradies; der Cherub steht nicht mehr dafür. Gott sei Lob, Ehr und Preis.

Amen.

Jakob Kampermann
Bild: privat
Jakob Kampermann

Jakob Kampermann ist Pastor und Mitglied der Evangelischen Medienarbeit (EMA) der Landeskirche Hannovers.

BIBLISCHER TEXT: Johannesevangelium 15, 1-15. 34-35
Vor dem Passafest aber erkannte Jesus, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater. Wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende. Und nach dem Abendessen – als schon der Teufel dem Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, ins Herz gegeben hatte, dass er ihn verriete; Jesus aber wusste, dass ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott ging – da stand er vom Mahl auf, legte seine Kleider ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich. Danach goss er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen und zu trocknen mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.
Da kam er zu Simon Petrus; der sprach zu ihm: Herr, du wäschst mir die Füße? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren. Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir. Spricht zu ihm Simon Petrus: Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt! Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als dass ihm die Füße gewaschen werden; er ist vielmehr ganz rein. Und
Ihr seid rein, aber nicht alle. Denn er wusste, wer ihn verraten würde; darum sprach er: Ihr seid nicht alle rein.
Als er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder und sprach zu ihnen: Wisst Ihr, was ich Euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin’s auch.
Wenn nun ich, Euer Herr und Meister, Euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch Ihr Euch untereinander die Füße waschen. Denn ein Beispiel habe ich Euch gegeben, damit Ihr tut, wie ich Euch getan habe.
Ein neues Gebot gebe ich Euch, dass Ihr Euch untereinander liebt, wie ich Euch geliebt habe, damit auch Ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass Ihr meine Jünger seid, wenn Ihr Liebe untereinander habt.
Jakob Kampermann